Quantenforschung: Die Magie des Kollektivs
03.02.2025
Der Quantenphysiker Milan Allan will an der LMU neuartige Mikroskope bauen und damit vielversprechende, manchmal auch mysteriöse Quantenmaterialien untersuchen.
03.02.2025
Der Quantenphysiker Milan Allan will an der LMU neuartige Mikroskope bauen und damit vielversprechende, manchmal auch mysteriöse Quantenmaterialien untersuchen.
Derzeit beschäftigt sich Milan Allan häufig noch mit Größen, von denen jeder eine Vorstellung haben kann, mit Längen, die sich in Meter und Zentimeter messen lassen: Zwischen 2,83 und 2,87 Meter hoch sei der Laborraum im Hauptgebäude der LMU, den er künftig nutzen werde. Das sei zwar eine Herausforderung für manche seiner Instrumente, sagt der Quantenphysiker. Aber es fasziniere ihn trotzdem, an diesem historischen Ort zu arbeiten. „Wir werden in den alten Laboren von Arnold Sommerfeld forschen“, sagt Allan. Vor mehr als hundert Jahren habe dieser berühmte Forscher an der LMU eine ganze Generation theoretischer Physiker ausgebildet, er ist quasi eine Legende der Disziplin.
Ein wenig hat es also auch mit Vorbildern zu tun, dass Milan Allan von der Universität Leiden nach München gewechselt ist, an einen Ort, wo es eine „unglaubliche Dichte an tollen Forscherinnen und Forschern in der Quantenphysik“ gebe. Dort will er künftig als Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Physik - Quantenmetrologie und -sensorik seine Expertise an der Universität und im Rahmen des Münchner Exzellenzclusters MCQST einbringen. Und hier hat er es mit Größen in viel kleineren Dimensionen zu tun.
Wenn wir eine Fragestellung wichtig genug finden, investieren wir zum Teil Jahre, um ein Instrument zu erfinden, das besser ist als alles, was es auf der Welt gibt.Milan Allan
„Wir versuchen, neuartige Quantenmaterialien zu verstehen“, sagt Allan. Gemeint sind damit Materialien, bei denen sich die quantenmechanische Natur einzelner Teilchen, etwa der Elektronen, in den makroskopischen Eigenschaften zeigt. Hochtemperatursupraleiter sind hier ein gutes Beispiel. „Dabei können alle Elektronen den gleichen Zustand annehmen, was dazu führt, dass die Materialien keinen elektrischen Widerstand mehr haben“, erklärt Allan. „Wir versuchen, diese kollektiven mikroskopischen Elektronenzustände zu beobachten, die wichtig für makroskopische Eigenschaften wie Supraleitung oder Magnetismus sind. Diese kollektiven Zustände sind für mich die magischsten Zustände, die es gibt auf der Welt. Bislang sind sie noch nicht wirklich verstanden.“ Sie verbinden letztlich die Quantenmechanik mit makroskopischen, also spürbaren Eigenschaften.
Es ist also Neuland, das Allan und seine Mitarbeiter da betreten. Denn in der Regel gibt es keine Instrumente auf dem Markt, um wirklich auf mikroskopischer Ebene ein physikalisches Problem oder Verhalten zu verstehen. „Dann müssen wir diese selbst bauen“, sagt Allan und lacht. „Wir betreiben letztlich eine spezielle Art der Mikroskopie, und wenn wir eine Fragestellung wichtig genug finden, investieren wir zum Teil Jahre, um ein Instrument zu erfinden, das besser ist als alles, was es auf der Welt gibt.“
Ziel ist, dann damit zum Beispiel neue Supraleiter zu untersuchen. „Diese Materialien sind oft sehr heterogen, das heißt, man muss wirklich wissen, was lokal in ihnen auf mikroskopischer Ebene passiert. Makroskopisch erhält man ein völlig anderes Bild.“ So versucht er zusammen mit seinem Team beispielsweise, elektrische Ströme in neuartigen Materialien exakt zu vermessen.
Dafür will Allan in München in den kommenden Jahren ein sogenanntes Scanning-SQUID-Mikroskop bauen und neue Komponenten dafür entwickeln. So wie er es beispielsweise schon in Leiden für ein anderes Instrument getan hat, das sogenannte Scanning Tunneling Noise Microscope (STNM). Es misst Tunnelströme in Materialien. Bislang war es nur möglich, den gemittelten Strom zu messen. Ein neu entwickelter Verstärker erlaubte es den Forschenden, auch winzige Fluktuationen zu erfassen. Damit lassen sich bestimmte Phänomene in neuartigen Materialien untersuchen, die bislang nicht zugänglich waren.
Milan Allan erzählt, dass er im Studium an der ETH Zürich begonnen habe, sich für Quantenmechanik und kollektive Quantenzustände zu interessieren. „Ich fand diese kollektiven Kondensate faszinierend“, sagt er. „Ich wollte etwas Neues machen und ich mag schwierige Probleme.“ Dabei sei das in der Schule noch gar nicht klar gewesen, erzählt er. „Ich war in der Schule sehr unmotiviert, aber im Studium haben mich dann Mathematik und Quantenphysik gepackt – seither bin ich begeistert.“
Ich mag Bilder. Ich glaube, häufig muss man in der Physik etwas sehen, um es zu verstehen.Milan Allan
Nach Stationen an der Universität St Andrews, Großbritannien, der Cornell University in den USA und seiner Postdoc-Zeit beim renommierten Quantenphysiker Andreas Wallraff an der ETH Zürich ging Milan Allan als Professor an die Universität Leiden. Dort konnte er zum ersten Mal in einer eigenen Forschergruppe seine Instrumente planen und bauen. „Die erste Zeit als Professor war für mich wie Honeymoon, es ist cool, morgens aufzustehen und das umsetzen zu können, was man sich selbst ausgedacht hat“, erzählt er. Bereits in Leiden hat er eine Reihe von Mikroskopen gebaut, die neuartige Beobachtungen möglich machen können. Darunter ist etwa ein Gerät mit dem sperrigen Namen SI-STM (spectroscopic-imaging scanning tunneling microscopy). Es könne in einem Quantenmaterial die wichtigen quantenmechanischen Freiheitsgrade auf atomarer Ebene abbilden, etwa die Verschränkung von Elektronen.
Hier hat Allan mithilfe von Finite-Elemente-Berechnungen einen neuartigen, stabilen STM-Kopf aus Saphir entwickelt, der Proben exakter scannen kann. Es sind große, oft raumhohe Instrumente, die aufwendig gekühlt werden müssen, mit denen man Materialproben von oben her abscannt und so präzise vermisst.
Allan liegt diese sehr spezielle Art der Bildgebung sehr am Herzen. „Ich mag Bilder“, sagt er. „Ich glaube, häufig muss man in der Physik etwas sehen, um es zu verstehen.“ Hier kann der Bau neuer Instrumente extrem helfen. „Das ist oft die einzige Art in einem Feld, um Fortschritte zu machen. Hier habe ich das Gefühl, etwas beitragen zu können.“ Überhaupt sei er ein „glücklicher Experimentalphysiker“, man kriege viel zurück, wenn man „ein Instrument baut, bei dem man einen quantenmechanischen Freiheitsgrad sehen kann, den niemand zuvor gesehen hat.“
Seine experimentelle Expertise und sein Ingenieurwissen bringt Allan nun in München ein. Erste Anknüpfungspunkte gab es schon zu seiner Zeit in Leiden, wo er bereits mit der Gruppe um den LMU-Physiker Dmitri Efetov zusammengearbeitet hat. „Mir gefällt, wie breit die Forschung hier mit dem MCQST im Bereich der Quantenphysik aufgestellt ist, sowohl in Bezug auf Anwendungen, aber auch in der Grundlagenforschung und der Theorie“, sagt Allan. „Es gibt hier auch das ganze Feld dazwischen, auch Gruppen, die sich mit Quantensimulationen oder neuartigen Werkstoffen beschäftigen. Die Studenten sind gut, das Umfeld ist toll. Es macht Spaß, hier dabei zu sein.“
So lernt Allan in München gerade neue Kollegen kennen, wie den Physiker Fabian Grusdt, der wie er auch an Hochtemperatursupraleitern arbeitet, nur eben theoretisch, oder die Experten für Theoretische Physik Jan van Delft und Ulrich Schollwöck. „Ich entdecke hier immer noch neue Forscher, die wirklich gut sind.“
Und er hoffe auch, mit Forscherinnen und Forschern wie den Quantenphysikern Immanuel Bloch und Monika Aidelsburger bald über Physik diskutieren und enger zusammenarbeiten zu können. „Immanuel Bloch ist wirklich ein Vorbild, er interessiert sich zum Beispiel für dotierte Mott-Isolatoren wie ich.“ Mott-Isolatoren wie Kupferoxid sind für Physiker spannende Materialien, denn eigentlich sollten sie nach Modellen der Physik elektrisch leitend sein, erweisen sich in Experimenten aber als Isolatoren. Für Physiker sind sie immer noch ein Rätsel. „Ich staune immer, wie anders Immanuel Bloch auf sie schaut und was ihm wichtig ist zu messen im Vergleich zu unserer Gruppe, Verschränkung etwa.“ München sei für ihn ein Ort, an dem er spüre: „Mein Gott, ich muss noch viel arbeiten, ich bin wirklich noch nicht da, wo ich sein will.“ Und da ist der Start im ehemaligen Keller von Arnold Sommerfeld doch ein guter Anfang.